Dieser Artikel zur Geschichte der Weißergasse stammt von Dr. Hans Bellinghausen und wurde in dem Buch „Alt-Koblenz“, zweiter Band 1932 erstmals abgedruckt.

Als die mittelalterliche Stadt Koblenz anfing, sich über den Raum, den ihr das römische Kastell und die fränkische Neugründung vorgezeichnet hatte, auszudehnen, war eine der ersten Straßen, die außerhalb des alten Stadtkerns um die Wende des 12. zum 13. Jahrhundert entstanden, die Weisergasse. Wie ihr Name andeutet, war sie damals der Hauptweg nach dem in engster Marktgemeinschaft mit Koblenz stehenden Moselort Weis, der damals noch diesen von einem uralten Sprachstamm herkommenden Namen führte (Weis – Wysa). Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts hat man den Namen dieses Ortes, um in von den anderen gleichnamigen Orten der Koblenzer Umgebung besser unterscheiden zu können (z. B. Heimbach-Weis), den Namen den Flusses, an dem er gelegen ist, als besonderes Kennzeichen hinzugefügt, so dass er von da ab Moselweis heißt. Besondere Bedeutung erlangte die Weisergasse, als sich die Dominikanerbrüder hier im dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts ein geräumiges Kloster mit einer großen Kirche zu erbauen begannen. Dr. Michel, der verdienstvolle Vorsitzende des Koblenzer Museumsvereins und Erforscher der Koblenzer Baugeschichte, schreibt über die Bedeutung des Gotteshauses Folgendes: „Die Kirche ist zwar noch erhalten, aber durch Einbauten gänzlich entstellt. Es ist sehr schade, da sie eine der frühesten gotischen rheinischen Bauten ist, – vielleicht der früheste! – wurde sie doch schon, nach einer alten Inschrift, 1233 in Gebrauch genommen! Ein päpstliches Ablassprivileg vom Jahre 1246 bezweckte die Vollendung des durch einen großen Stadtbrand beschädigten Kirchenbaues, der aber erst 1260 erfolgt ist. Es ist eine schlanke, zehnjochige Basilika, deren verschiedene Pfeiler- und Gewölberippenformen deutlich 3 Bauepochen erkennen lassen. Der als Treppenhaus benutzte Chor mit siebenkappigem, birnstabrippigem Gewölbe imponiert durch seine schönen, schlanken Formen, die an französische Hochgotik gemahnenden zweiteiligen Fenster mit Rundstabgewinde und einfachen Drei- und Vierpässen in dem Spitzbogenschluss und das bewegte Blatt- und Laubwerk der Kapitäle. Im Innern sind die Schlusssteine des südlichen Seitenschiffes mit Heiligenfiguren, Wappen und Laubwerk von hervorragender Qualität geziert. Die ehedem glänzende, farbige Ausschmückung der Kirche ruht unter Kalk.“ – An diese Kirche schlossen sich die Klostergebäudlichkeiten an, von deren älteren Teilen noch ein auf drei Säulen ruhender Kapitelsaal erhalten ist, während die anderen Gebäude aus dem 17. Jahrhundert stammen. Berühmte Männer sind aus dem Kloster hervorgegangen, u.a. Heinrich Kalteisen, der später Bischof von Drontheim wurde. Zahlreiche bürgerliche und adlige Familien hatten in der Kirche ihre Begräbnisstätte, so auch die Grafen von Eltz, deren Wappen sich an dem von ihnen gestifteten Rokokoportal am Eingang zum Klosterhof befindet. Auf diesem Portal thront in der Mitte die von der Weißergasser Einwohnerschaft als „Maria Victoria“ verehrte Gottesmutter, der die Figuren der Heiligen Thomas von Aquin und Dominikus zur Seite stehen. Kirche und Kloster fielen der französischen Revolutionszeit zum Opfer. Das geräumige Gotteshaus wurde später durch Zwischenböden in mehrere Stockwerke zerlegt, die zusammen mit den übrigen Klosterräumen im Laufe des letzten Jahrhunderts den verschiedensten profanen Zwecken gedient haben: Krankenhaus, Kaserne, Lagerraum sowie Hauptversorgungsamt. – Von dieser Dominikanerkirche, an deren Kirchweihfesten in alter Zeit große Märkte stattfanden, leitet die bis auf den heutigen Tag bestehende Weisergasser Kirmes ihren Ursprung ab. Die Weisergasse besaß früher noch ein zweites großes Kloster: Das Weißernonnenkloster, an das noch heute die dort befindliche Weisernonnengasse erinnert. Dieses Kloster war im Jahre 1276 als Beguinenkloster gegründet worden. Eine fromme Frau namens Demud hatte ihr in der Gasse des Vogtes von Rübenach gelegenes Haus zur Unterbringung von sechs Beguinen dafür hergegeben. Beguinen nannte man im 14. Jahrhundert fromme Frauen, die zwar keine Nonnen waren, aber doch ein klösterliches Leben in stiller Abgesondertheit führten. Im Jahre 1305 schenkte eine Beguine, Mexe von Weis mit Namen, ihr in der Weisergasse gelegenes Haus hinzu. 1313 und 1317 kamen weitere Stiftungen frommer Frauen dazu, so dass sich aus diesen einzelnen Häusern allmählich ein größeres Nonnenkloster mit einer Kirche entwickeln konnte, das der Leitung eines Dominikaner-Priors unterstellt war. Später wurde es ein Dominikanerinnenheim, das der hl. Katherina von Siena geweiht war. Um 1794 diente es als Bürgerhospital. Restes dieses Klosters sind heute noch vorhanden. Bei dem mittelalterlichen Mauerbau, der im ersten Jahrhundert des 14. Jahrhunderts vollendet war, hatte man am Ausgang der Weisergasse ein Tor, die „Weiserpforte“, erstellt. Dieses Tor wurde jedoch im Jahre 1568 geschlossen, so dass sich von da ab der gesamte Verkehr nach Moselweis durch das Löhrtor bewegen musste. Ein vom heutigen Löhrrondell in gerader Richtung auf die Thielenstraße führender Weg ist auf alten Flurkarten als „Weiser Weg“ eingetragen, während man die Gemarkung vor der mittelalterlichen „Weiserpforte“ als „am alten Weiser Weg“ gelegen eingetragen findet. Das alte Weisertor wurde erst nach 1794 auf Befehl des ersten französischen Stadtpräfekten wieder geöffnet. Die Weisergasse grenzte also an ihrem Westende an die Stadtmauer mit der „Weiserpforte“. Kurz vor der Mauer aber zweigte links eine Verbindungsgasse nach der Löhrstraße ab, der „Seilerwall“, dessen kleine Häuschen sich unmittelbar an die hochaufragende Stadtmauer anlehnten. Der Seilerwall mit seinen Baracken, die sich keines guten Rufes erfreuten, wurde nach 1882 abgerissen. Bald darauf wurde der Eingang dieser Gasse verbaut, doch kann man ihren Anfang an der Weisergasse heute noch ein kleines Stück verfolgen.