Die Weißergasser Kirmes

von Josef Eisenach

„Zo Kowelenz en der Weisergaß Do wor die Kärmes scheen, Do hann ich mich plätschnaß gedanzt Met meinem Fahnelehn!“ So sang im Jahre 1829 unser Mitbürger J. A. Leroy in einem Lied, das er der von ihm geleiteten „Koblenzer Karnevals-Gesellschaft“ gewidmet und in der Karnevalszeitung vom gleichen Jahre veröffentlicht hat. Die Weisergasser Kirmes (Anm.: kein Schreibfehler! Da der Name sich von der Straße nach Moselweis ableitete, hieß auch die Weißergasse früher Weiser Gasse !) ist wohl das einzige Volksfest aus mittelalterlicher Zeit, welches sich trotz aller Umwälzungen bis auf den heutigen Tag in Koblenz erhalten hat. Zweifelsohne führt es seinen Ursprung zurück auf das alte Kirchweihfest der an der Weisergasse gelegenen Dominikanerkirche, die bereits um das Jahr 1233 bestand. Ueber die Art und Weise, in der dieses Fest in den vergangenen Jahrhunderten gefeiert wurde, ist uns nichts bekannt. Wahrscheinlich ist es vielen Wandlungen unterworfen gewesen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass früher eine andere auf uralter Ueberlieferung beruhende volkstümliche Festlichkeit mit ihm verbunden war. (…) Das damalige Bestehen der „Nachbarschaften“ und der „Brunnengemeinschaften“ erleichterte das Festhalten an alten Gebräuchen. In der Weisergasse befanden sich außer einigen Privatbrunnen nur zwei öffentliche Bürgerbrunnen, für deren Instandhaltung ein gewisser Kreis der Einwohnerschaft, die „Brunnengemeinschaft“ aufzukommen hatte. Der eine dieser Brunnen stand auf dem Platze vor dem Portale des Dominikanerklosters, der andere befand sich in dem oberen Seitengässchen, genannt „Federspielsgässchen“ oder „Spahlsgässchen“, wo noch ein Teil der Stadtmauer stand und die Verlängerung des „Seilerwalles“ war. Privatbrunnen befanden sich in dem „Weisernonnengässchen“, von dem ehemaligen „Weiser Nonnenkloster“ herrührend, in dem „Kernsgässchen“ und dem „Brunnengässchen“ oder „Wiesersgässchen“. Die kleinen Häuser, die den dreieckigen Platz, der vor dem Eingang des Klosters liegt, umsäumen, waren Eigentum des Klosters und bewohnt von Domestiken und Handwerkern, die für das Kloster beschäftigt waren. Die übrigen Bewohner der Weisergasse waren Gärtner, Pferdebesitzer und Arbeiter, was noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts festzustellen war. Es ist selbstverständlich, dass die Feste des Klosters, so auch die Kirchweihe, von den Einwohnern der Weisergasse mitgefeiert wurden. Zwar musste in den Kriegszeiten um die Wende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Kirmesfest verschiedentlich ausfallen, aber nach der Besitzergreifung des Landes durch Preußen ist es im Jahre 1816 neu erstanden. Als Symbol des Festes hat man wie überall, wo Kirchweih gefeiert wird, von jeher einen Kirmesbaum aufgerichtet, wie es heute noch geschieht. Dieser Baum wurde den Weisergassern durch die Stadtverwaltung kostenlos überlassen. Als nun die Kirmesfeier wieder regelmäßig stattfinden konnte, wurde der Baum an dem „Federspielsgässchen“ in der Nähe des „Weisergasser Tores“, aufgestellt, und es fanden die Volksbelustigungen auf den Dominikanerwiesen, außerhalb der Stadtmauern, statt (ungefähr im Bereich des heutigen Saarplatzes). Als aber die preußischen Truppen von dem Dominikanerkloster Besitz genommen, das Kloster als Kaserne benutzt, und in der Kirche einen Kanonen- und Wagenpark untergebracht hatten, hinderte der Kirmesbaum an seinem alten Platz, und so wurde er vom Jahre 1820 ab in der Mitte der Weißergasse am „Kernsgässchen“ nahe dem Hause Nr. 27 aufgestellt, und die Verkaufsbuden auf dem Platze vor dem Portal des Dominkanerklosters. Durch den immer mehr wachsenden Verkehr in der Weisergasse war der Baum aber auch hier ein Hindernis. Um nun Verkehrsstörungen zu vermeiden, veranlasste die Polizei, dem Baum einen anderen Platz anzuweisen, und so wurde der Kirmesbaum im Jahre 1847 zum erstenmale auf dem Platze aufgestellt, den er heute (1932 !) noch behauptet. Nun wurde die Weisergasser Kirmes Jahre hindurch in ein und derselben Art gefeiert. Ein bedeutender Anziehungspunkt waren die sogenannten „Heckenwirtschaften“ von Kern, Federspiel, Kiefer und Erben, die für die Kirmes geöffnet wurden. Aber auch die Weinwirtschaft „Michael Eisenbarth“ hatte einen Zulauf, wie wir es uns heute kaum mehr vorstellen können. Dort ging es oftmals hoch her, weil dort die „bessere Gesellschaft“ Einkehr hielt und auch das Tanzbein tüchtig geschwungen wurde. Außer den Genannten waren weitere Wirte vorhanden, die den Wünschen der Kirmesbesucher Rechnung trugen. Auch im „Gasthaus zum Hirsch“, jetzt Haus Nr. 15, allgemein bekannt als „em roßige Hersch“, war Tanzvergnügen. Mehrmals hatte die Polizei versucht, die Weisergasser Kirmes zu verbieten, weil sie dieselbe für Unfug hielt. Im Jahre 1856 konnten Kirmes-Gegner einen Erfolg ihrer Gegenströmung erkennen, da zum ersten Male die Stadtverwaltung die Abgabe des Kirmesbaumes verwehrte. Die Bürger der Weisergasse waren darüber sehr ungehalten, doch sollte die Kirmes in den Familien auch ohne Baum vor sich gehen. Zwei Bürger der Weisergasse haben sich darob eine Trauerweide besorgt, dieselbe mit einem Trauerflor geschmückt und den eigentlichen Stamm mit Teer bestrichen. Dachdeckermeister Erben und Maurermeister Karl Fritze benutzten nun die Zeit, während fast alle männlichen Einwohner zum Sonntagsgottesdienst waren (damals bereits in der Liebfrauenkirche, da das Kloster ja inzwischen zu einer Kaserne geworden war), und befestigten die Trauerweide an der auf dem Platze befindlichen Pumpe. Diese Arbeit war eben beendet, als der Gottesdienst vorbei war und die Bürger nach ihrem Heim zurückkehrten, mit diesen aber auch eine Menge anderer Leute, die sich das Kirmestreiben ansehen wollten. Der Schröder Johann Mühlenborn, der Schieferdeckermeister Philipp Haymann, sowie der Küfermeister Mühlen gingen auf die Pumpe zu und wollten die Trauerweide entfernen. Die Aufsteller derselben wollten es nicht dulden und setzten sich in Verteidigung. Es sammelten sich hunderte von Zuschauern an, die sich teils für das Aufstellen, teils dagegen erklärten, und so entstand eine regelrechte Keilerei, an der sich Dutzende von Männern beteiligten. Es gab blutige Köpfe, zerrissene Kleider, eingeschlagene Hüte, und die Trauerweide lag am Boden. Darauf erschien der Haupt-Kirmes-Gegner, Polizeiinspektor Lode, mit einigen Polizisten, die den Kampfplatz säuberten und die Namen der Hauptattentäter notierten, bis die Ruhe wieder hergestellt war. Die Mehrheit der Bürgerschaft der Weisergasse gab sich nun erst recht nicht zufrieden, indes versammelten sich die Hauseigentümer und sonstige alteingesessene Bürger in der Wirtschaft von Eisenbarth und beschlossen, dass sich sofort einige Männer zu dem Herrn Regierungspräsidenten begeben und diesem die Angelegenheit unterbreiten sollen. Der Beschluss wurde sofort ausgeführt von den Herren Mühlenborn, Heymann, Friedrich, Rath und Spahl. Der Herr Regierungspräsident empfing die Abordnung, ließ sich die Beschwerde vortragen und erklärte dann, dass er gegen die Abhaltung der Kirmes nichts einzuwenden hätte, dies sollten sie dem Herrn Oberbürgermeister mitteilen. Sofort machte die Deputation dem Herrn Oberbürgermeister Bachem einen Besuch und erreichte, dass die Kirmes abgehalten werden durfte, und dass der Kirmesbaum von der Stadt wie früher gegeben wurde.