Der MGV Viktoria wurde im Jahre 1894 gegründet. Die Gründung vollzog sich parallel zur Gründung der Weißergasser Kirmesgesellschaft, die sich zur Aufgabe setzte, das älteste Volksfest von Koblenz, die Weißergasser Kirmes, weiterzuführen. Zwölf Mitglieder gründeten spontan eine Gesangsabteilung, die sich „Viktoria“ nannte nach dem Wahrzeichen der Weißergasse, einem Tor im Rokokostil. Darauf befinden sich drei Heiligenfiguren, deren mittlere Maria ist, die zu Ehren des Sieges über die Türken vor Wien „Maria Viktoria“ genannt wurde. Der erste Auftritt des Gesangvereins fand dann folgerichtig auch auf der Weißergasser Kirmes im Oktober 1894 statt. 1895 wurde die erste Fahne beschafft, und es fand u.a. ein Auftritt in Braubach anlässlich der Hochzeit des 2. Vorsitzenden statt.
In der Folgezeit trat der Verein bei einer Reihe von Festlichkeiten, Ausflügen usw. auf, und bereits 1906 war die Zahl der Sänger auf 35 angewachsen. Die musikalische Leitung als erster „offizieller“ Dirigent (der erste Dirigent war ein Vereinsmitglied gewesen, ein Berufsmusiker) hatte Herr Fr. Lindlar inne, der sich später einen Namen als Opernsänger machte. In diesem Jahr wurde auch der Passus aus den Vereinsstatuten gestrichen, dass alle Mitglieder in der Weißergasse wohnen oder dort geboren sein mussten. Dadurch stieg die Zahl der Sänger bis 1910 auf 60 an, und der erste Wettbewerb konnte angegangen werden. In Neuwied konnte der III. Klassenpreis und der II. Ehrenpreis errungen werden. Im August gab es ein größeres Konzert im Rheinhof in Koblenz-Pfaffendorf. 1912 nahm man am Wettstreit in Nievern teil, wo man den II. Klassenpreis in der I. Stadtklasse und den II. Ehrenpreis ersingen konnte. 1913 folgte ein Wettstreit im Heimbach-Weis, bei dem ein la Klassenpreis, ein la Ehrenpreis und ein la Preis im höchsten Ehrensingen gewonnen wurde. Außerdem besuchte man die Sängerfeste in Dieblich, Hillscheid und Urbar. In diesem Jahr trat man auch dem neugegründeten Sängerbund bei. Der Verein zählte damals 136 Mitglieder.
1914 richtete man erstmals einen nationalen Wettstreit aus, und es wurde eine neue Fahne angeschafft. Vom 13. bis 15. Juni waren 24 Vereine zu Gast. Anlässlich dieses Wettstreits erhielt der 1. Vorsitzende den 1. Preis des Königs von Albanien und seiner Gemahlin. Wegen des Ausbruchs des 1. Weltkriegs wurde dieser Preis bis heute nie mehr vergeben. Bei Kriegsbeginn zählte der Verein 140 Mitglieder. Während des Krieges wurden natürlich immer mehr Sänger einberufen, und der Verein schrumpfte. Kurz nach Kriegsende 1918 warjedoch die Mitgliederzahl schnell wieder auf 200 angewachsen. 1919 gab man zwei Sommerkonzerte und richtete das 1. Rhein-Sängerfest mit 42 Vereinen aus. Für den Festzug hatten 100 Vereine gemeldet, dieser durfte jedoch nicht stattfinden. 1920 beim großen Wertungssingen in Braubach wurde die zweithöchste Punktzahl von 32 Vereinen erreicht.
1921 nahm man am Nationalen Gesangswettstreit in Frankfurt teil. Die Sängerzahl zu diesem Anlass betrug stolze 70. Man gewann dort den I. Klassenpreis und erhielt großes Lob in den Frankfurter Zeitungen. Bei der Rückkehr nach Koblenz wurde man von vielen tausend Koblenzer Bürgern begeistert empfangen. Dies dürfte wohl der Höhepunkt in der Vereinsgeschichte gewesen sein. Auch in der Folgezeit besuchte man an eine Reihe von Wertungssingen, Sängerfesten usw. Im Jahre 1924 richtete der Verein dann auch wieder selbst einen Gesangwettstreit anlässlich des 30jährigen Bestehens aus. 52 Vereine nahmen daran teil. 1926 folgte ein Wettstreit in Kärlich, bei dem ein la Klassenpreis, ein la Ehrenpreis und der höchste Ehrenpreis ersungen wurden. 1930 nahm man am Wertungssingen der Stadt Koblenz teil. 1933 gab es Wettstreite in Mehlem und Güls. Bis 1939 folgten weitere vielfältige Aktivitäten.
1939, nach Kriegsausbruch, begann ein Vereinssterben in Koblenz, da immer mehr junge Männer an die Front mussten. Der MGV Viktoria hatte das Glück, durch den großen Stamm an Sängern auch in dieser Zeit „funktionsfähig“ zu bleiben. Bis 1944 absolvierte man auch die höchste Zahl an Vorträgen in Lazaretten, um den Verwundeten ein wenig Freude zu bereiten. Nicht weniger als 38 solcher Auftritte stehen zu Buche. Am 6. November 1944 folgte dann der schwärzeste Tag in der Geschichte der Stadt Koblenz. In einer Reihe schwerster Bombenangriffe wurde die gesamte Innenstadt völlig zerstört. Dabei wurde auch das gesamte Notenmaterial des Vereins, die Fahnen, Preise, Bilder, Urkunden und Dokumente des Vereins vernichtet. Dieser Verlust war natürlich ein schwerer Schlag. Fast genauso schlimm war aber, dass in Koblenz an ein Wohnen nicht mehr zu denken war und deshalb praktisch alle Vereinsmitglieder nach Thüringen und in andere Gebiete evakuiert wurden. Aber selbst dort hielt der damalige erste Vorsitzende schriftlich Kontakt zu den meisten Mitgliedern, so dass die Struktur des Vereins erhalten blieb. Dies zeigte sich bereits im Oktober 1945, als ein Teil der Sänger zurückgekehrt war. Anlässlich der Weißergasser Kirmes, die spontan in einer Art Saal gefeiert wurde, sangen diese Mitglieder Lieder aus der Erinnerung von vor 1944.
Ab ca. August 1946 waren die überlebenden Mitglieder fast alle wieder heimgekehrt, und man begann wieder mit regelmäßigen Proben. An Weihnachten trat man erstmals wieder mit neuem Material auf. Eine Anekdote aus dieser Zeit (obwohl sie einige Verbitterung hervorrief) ist die Tatsache, dass bei der erneuten Zulassung als Verein das „Viktoria“ zunächst aus dem Vereinsnamen gestrichen werden musste, da dies zu deutsch „Siegerin“ heißt und die französischen Besatzer der Meinung waren, diese Bezeichnung stünde Deutschen nach den Geschehnissen der letzten Jahre nicht zu. 1947 folgte dann ein erster Höhepunkt nach dem Krieg, als man im Rundfunk (Südwestfunk) auftrat. Auch die sonstigen Vereinsaktivitäten wie regelmäßige Ausflüge usw. wurden nach und nach wieder aufgenommen. Nachteilig machte sich in dieser Zeit bemerkbar, dass gemeinsame Veranstaltungen mit anderen Vereinen kaum durchführbar waren, da diese aufgrund der im Krieg erlittenen Verluste und der allgemeinen Armut überwiegend noch nicht in der Lage waren, eigene Aktivitäten zu entwickeln. So beschränkten sich die Auftritte meist auf die eigenen Vereinsveranstaltungen sowie die Weißergasser Kirmes. Ein wichtiges Element der Vereinsaktivitäten waren auch Besuche bei Vereinsmitgliedern im Krankenhaus, bei denen regelmäßig auch für die anderen Kranken gesungen wurde. Man führte in den Folgejahren auch einige karnevalistische Veranstaltungen durch und sang auf Volksfesten. Anlässlich des Goethejahres 1949 sang man beim Goethesingen mit.
Ab etwa 1950 nahmen dann die Aktivitäten auch anderer Vereine wieder zu, so dass die Auftritte wieder häufiger wurden. Nachfolgend seien nur einige genannt. 1950 veranstaltete man ein Sängerfest und nahm an einem Ausscheidungssingen im Stadttheater teil. 1951 Veranstaltung eines Sommerkonzertes, Teilnahme an einem Konzert der Koblenzer Chöre. 1952 Konzert in der Koblenzer Trinkhalle sowie Teilnahme an dem Sängerfest des Kreises Koblenz. Am 18.5.1953 folgte ein weiterer Höhepunkt in der Vereinsgeschichte, als man an dem Festakt zur Einweihung der Neuen Moselbrücke, der heutigen Europabrücke, teilnahm. Die Atmosphäre mit vielen tausend Zuschauern blieb vielen Vereinsmitgliedern unvergesslich. Am 30.10.1954 fand das Jubiläumskonzert anlässlich des sechzigjährigen Bestehens statt. Ebenfalls besonders erwähnenswert ist die Teilnahme am Festakt –zum Tag der Deutschen Einheit am Deutschen Eck, bei dem der Vortrag des MGV Viktoria viel Beifall fand. 1958 nahm man u.a. am Bezirksleistungssingen teil. Am 19.8.1959 fand ein großer Festkommers zur 65-Jahr-Feier statt.
In den 60er Jahren gab es u.a. Wettstreite in Kaltenengers und Urbar sowie die Teilnahme an einem Leistungssingen in Lautenbach an der Saar statt. Zweimal nahm der Verein außerdem an Konzerten in der Rhein-Mosel-Halle teil. Der Höhepunkt in dieser Zeit war die Ausrichtung der Feier anlässlich des 75jährigen Bestehens u.a. mit dem Mainzer Symphonie-Orchester, ebenfalls in der Rhein-Mosel-Halle. In den 70ern gab es u.a. Freundschaftssingen in Kobern, Winningen und Rhens. Seit 1973 trat der Verein außerdem jährlich auf dem Altstadtfest in Koblenz auf. 1975 wurde ebenfalls einmal pro Jahr eine Messe in der Liebfrauenkirche gesanglich gestaltet. Während der gesamten Zelt bis heute wurden natürlich weiterhin die Auftritte zur Weißergasser Kirmes, beim Vereinsfest am Vatertag sowie anlässlich der Weihnachtsfeier durchgeführt. Auch wurde in jedem Jahr eine Vereinsfahrt gemeinsam mit der Weißergasser Kirmesgesellschaft sowie verschiedene reine Sängerfahrten veranstaltet. Außerdem machte es sich der Verein zur Aufgabe, in der Weihnachtszeit in einem Altenheim aufzutreten, um den alten Menschen eine Freude zu bereiten. Dies wurde bis 1991 jeweils am 24. Dezember durchgeführt. Da jedoch an diesem Tag regelmäßig eine große Anzahl der Heimbewohner bei ihren Familien waren, verlegte der Verein den Auftritt in die Vorweihnachtszeit, um allen die Möglichkeit zu geben, dabei zu sein. Höhepunkte in den letzten 25 Jahren waren unter anderem die Fahrten nach Maastricht/Holland, eine Partnerstadt von Koblenz, wo wir den dortigen sehr großen Männerchor besuchten und gemeinsame Konzerte auf Festen sowie in Kirchen gaben. Diese Fahrt wurde in den achtziger Jahren dreimal durchgeführt, und der Gesangverein aus Maastricht besuchte uns im Gegenzug ebenso oft. Auch die Fahrt nach Oberviechtach im Bayerischen Wald ragt heraus. In der Geburtsstadt des „Doktor Eisenbarth“, der auch in Koblenz wirkte und eine der Traditionsfiguren der Weißergasser Kirmes ist, gestalteten wir u.a. einen Gottesdienst unter freiem Himmel anlässlich des alle zehn Jahre durchgeführten Heimatfestes mit. Auch die Teilnahme am Festzug, bei dem den Sängern eine riesige Menschenmenge zujubelte, war beeindruckend. Weitere Vereinsfahrten führten uns nach Elisabethszell und Mayrhof/Österreich. Die 100-Jahr-Feier 1994, die gemeinsam mit der Weißergasser Kirmesgesellschaft im Soldatenheim in Koblenz gefeiert wurde, war ebenfalls ein großer Erfolg.
Der Substanzverlust bei Männergesangvereinen ist nach dem 2. Weltkrieg gewaltig gewesen, und so blieb in der Altstadt von all den vielen Gesangvereinen, die es früher einmal gab, nur noch der MGV Viktoria zurück. Auch wenn es dort natürlich die gleichen Probleme wie bei allen anderen Vereinen gibt, hat man es doch geschafft, diese Tradition weiterhin mit Leben zu füllen und in das dritte Jahrtausend mitzunehmen. Es gelingt immer wieder, auch ganz junge Leute davon zu überzeugen, dass gemeinsames Singen Spaß macht, und durch die vielfältigen Aktivitäten geselliger Art hat sich eine kleine Familie gebildet, in der es sich lohnt, mitzumachen.