Hannelore Kraeber

Eine Koblenzer Essgeschichte:
„Trapp-Trapp“ –  zu Kirchweihfesten in der Altstadt

Die Koblenzer sind von je her der  Nachbarschaft ihres Viertels besonders verbunden. Es wurde unterschieden nach Brunnen-gemeinschaften, dann  nach einer Ratsordnung aus dem Jahre 1473, wonach die gesamte Bürgerschaft zur Verteidigung ihrer Quartiere eingeteilt war. Die Stadt gliederte sich entsprechend   in Ober- und Unterstadt (Nidderstadt). Die Görgenstrasse (Gerjegass) war die Grenzscheide. ‚Kanal von Suez’ wurde sie auch umgangssprachlich genannt. Zum anderen waren die Kirchweihfeste Mittelpunkte allen nachbarlichen Geschehens. ‚Onner sich’ ist man dann bei der Kastorgässer-, der Gerjegässer- und der Weißergässer Kärmes. ‚Do gieht et rond’. Seit dem Mittelalter wird z.T. an diesen kirchlichen Festen festgehalten. Die Heimatdichterin, Josefine Moos, (1869 – 1967) mahnt in ihrem Gedicht  ‚Zur Kärmesfeier’:

Die Kärchweihfeier halt en Ehre,
losst Fahne on Standarte wehn.
Jo, wenn die Kärmesse net wäre,
wär alles doch nur half  su scheen .
Schmückt die Fassade, kehrt die Strooße,
bekränzt met Green dat Gotteshaus,
dat die Pfarrei sich sehn kann loße.

Holt aus-em Wald die scheenste Tanne
on hängt die Eierkrone off,
botzt blank die Gläser on die Kanne,
sorscht für-en süffig goode Stoff.
Vergeßt och net off alle Fälle,
dat et beim Festzug Stimmung get,
die Trommler zeitig ze bestelle,
denn ohne Mussik  gieht-et net!

Backt Hefebond on Quetschekooche!,
weil zor Kärmes –  Läit komme äich besooche.
Schuns stieht dat Festzelt, Kareselle,
Glecksräder, Rutschbahn sein bereit,
die Waffelbude, Lutschkamelle,
Scheesbude für die Bichseläit.

Jo, su en Kärmes es vergnieschlich,
on brengt dat Danzbein flott en Schwung,
mer amesiert sich ganz vorzüschlich
on fehlt sich widder jung.
(Auszug)

Die Kastergässer-Kärmes war ab 1898 wegen einer Schlägerei verboten worden.  Kastergässer Kommentar: „Do hatt et gekracht, dat die Schwad geplatzt es.“ So musste die Kirmesgesellschaft St. Kastor 1931 nach langer Unterbrechung wieder gegründet werden. Ihr Protest-Motto wurde auf großen beleuchteten Transparenten im ersten Kirmeszug verkündet:
„Wer ons dä Spaß verderwe well, dä hat sich schroh gestuss,
dofier es en der Kastergass  die Einischkeit ze gruß.“

So große Einigkeit scheint dabei in der Kastorstrasse zunächst nicht geherrscht zu haben. Während  die Bewohner des oberen Teils der Straße nur einen kleinen Baum in einem alten mit Sand gefüllten Fass aufstellen, wurde von den Anwohnern des  unteren Teils schon ein Kirmesbaum aus dem Wald geholt. Die Kastergässer Kärmes wurde trotzdem wieder zu einem Volksfest für die ganze Stadt. Peter Kräber, Ehrenmitglied der Kirmesgesellschaft St. Kastor, war als Feinschmecker bekannt. Seine kulinarische Erinnerungen an die immer preiswerte Fleischwurst aus Trapp-Trapp* bei der Kirmes brachten ihn stets ins Schwärmen. Nach der völligen Zerstörung des Kastorviertels im  Zweiten Weltkrieg gründete sich in der ‚Seestadt’ dann wieder die Interessengemeinschaft St. Kastor um heimatliches Brauchtum zu bewahren und fortzusetzen.

Die ‚Gerjegässer Kärmes’ wurde in der  damals dicht bewohnten Görgenstrasse gefeiert. Der kirchliche Ursprung war die Görgenkirche, die mit dem Görgenkloster  zusammen den größten Teil des Geländes der Südwestecke Görgenstrasse – Altlöhrtor einnahm. Nach mündlicher Überlieferung soll  eine  familiäre ‚Gassenkirmes’ gefeiert worden sein  im Gegensatz zum Volksfest-Charakter der anderen Kirchweihfeste. Der Zeit-zeuge, Georg Schafheutle, schwärmt noch heute vom leckeren ‚Trapp-Trapp’. Der Pferdemetzger Hillesheim vom Wöllershof bewirtete Kirmes immer alle Kinder und Kirmesjungen mit einem vorzüglichen Sauerbraten aus Pferdefleisch. Die Soße war sämig durch viele gewürfelte, angeröstete Zwiebeln.  Dazu gab es besonders würzige Kartoffelklöße. Sie waren mit Lauch gefüllt und mit  Petersilie angereichert. Im Zweiten Weltkrieg des 20. Jahrhunderts wurde das ganze Viertel zerstört. Leider gibt es die ‚Gerjegässer Kärmes’ dadurch nicht mehr.

2011 Trapp Trapp - goergenkloster

 

Mittelpunkt der Görgenstrasse: Dominikanerkirche St. Martin,zerstört im Krieg 1944

 

Die Weißergässer Kärmes wird seit 1233 im engen Bezug zur Dominikanerkloster kontinuierlich z.T. trotz großer Widerstände gefeiert.  Viele Dokumente und Berichte über die ‚Predigerkirmes’, wie sie früher hieß, belegen dies. Nach Zwangspausen durch Kriege oder Besatzungen  lebte sie immer schnell wieder auf. Die Kirmes war Anziehungspunkt und über die Grenzen der Stadt bekannt. Seit dem Bombenkrieg 1944/45 besteht die Weißergasse so gut wie nicht mehr. Aber dem Zusammenhalt der Weißergässer Kirmesgesellschaft ‚Maria Viktoria’ ist der Erhalt eines der ältesten Volksfeste der Stadt zu danken. Gerne erzählt Ludwig Rausch aus dem Vereinsleben. So ist ein Höhepunkt der Kirmes immer der Waldgang. Der Kirmesbaum wird abgeholt und mit dem Pferdefuhrwerk in die Stadt transportiert. Es heißt: „Wer schwer schafft, moß och good esse!“ Für ‚Mackes’ hat der Pferdemetzger Hillesheim vom Wöllershof bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gesorgt. Jedes Jahr hat er den Waldgängern ‚Trapp-Trapp’ in großen Marmeladeneimern mit-gegeben. Es war Sauerbraten aus Pferdefleisch. Das Fleisch muss den Baumträgern besonders gut geschmeckt haben, denn für die Kinder blieb immer nur die Soße übrig.

2011 Trapp Trapp - baumtraeger_skaliert

 

Tradition: Wie die Alten – so die Jungen, Weissergässer Kirmesgesellschaft ‚Maria Viktoria’, Waldgang und Einbringen des Kirmesbaumes im Jahr 2002

 

Die Altstadt Kärmes feiern die Weißergässer Kirmesgesellschaft und die Interessengemeinschaft St. Kastor  seit 1991 gemeinsam. In einem Vers heißt es:

Zo Kowelenz en der Weißergass,
do wor die Kärmes scheen,
do hann ich mich plätschnaß gedanzt
met meinem Fahnelehn.

Die Kastorgass net minder scheen,
denn dat es ganz geweß,
do kennt Ihr häit noch emmer seh’n,
die ‚neue Seestadt’, wie se es.

Die Pferdemetzgerei Hillesheim gibt es nicht mehr. Wenn aber auf dem Wochenmarkt von Zeit zu Zeit ein Pferdemetzger sei-nen Verkaufswagen öffnet, dann wird von vielen Koblenzern ein Pferdefleischbraten gekauft. Der wird dann wie folgt zube-reitet:

Sauerbraten  Trapp-Trapp
¼ l Rotwein, 3/8 l Essig, ¼ Wasser, 10 zerdrückten Wachol-derbeeren, 10 Gewürznelken, 3 Lorbeerblätter, 3 Pfefferkör-nern, Zwiebelscheiben zur Beize aufkochen und abkühlen las-sen.
1 kg Pferdefleisch zum Braten in einen Topf legen, mit Beize   übergießen und im Kühlschrank aufbewahren. Wenn das Fleisch nicht völlig von der Beize bedeckt ist, jeden Tag wen-den. Nach 3 -4 Tagen das Fleisch aus der Beize nehmen,  gut abtrocknen und in einem Bräter  mit 150 g Speckwürfeln von allen Seiten gut anbräunen.  4 Zwiebeln würfeln, zufügen und mit bräunen lassen. Mit ca. 1/8 l Beize auffüllen, später mehr und mehr und den Braten ca. 2 Stunden schmoren lassen. Der Pferdemetzger hat die Sauce dann nicht durch ein Sieb pas-siert, die Zwiebeln sollten als Gemüse noch erkennbar sein. Die Sauce mit Mehl andicken und ggf. noch mit etwas Zucker abschmecken. Dazu werden Kartoffelklöße aus rohen Kartof-feln gereicht. Nach Art Toni Hillesheim wird in den Kartoffelteig gehackte Petersilie eingearbeitet und die Mitte der Klöße mit feinen Lauchstreifen gefüllt.

Noch ein ‚Kowelenzer Steckelche’ zum Schluss:
In der Erwerbslosenzeit der 30er Jahre des 20.Jahrhunderts und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde nach der Melo-die von Lili Marleen gesungen:
„Ochsenfleisch ist däier, Schweinefleisch es knapp,
do gimmer bei de Hillesheim on kaawe ons Trapp-Trapp.
Und alle Leute sollen es sehen,
wenn wir beim Hillesheim Schlange stehen für eine Mark on zehn, …für eine Mark on zehn“

2011 Trapp Trapp - hillesheim

Hillesheims Roßschlachterei und Restaurant  ‚Zum weißen Roß’, im Krieg 1942 zerstört. Hier gab es den guten Rheinischen Sauerbraten. Hans–Jürgen Geis freut sich, heute – 2011 – noch, dass die ‚Schängelcher’ auch in Notzeiten hier  ein „Stitzje“ Fleischwurst bekamen.