Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 19. Altstadtkirmes 2010

Wo steht das älteste Haus der Koblenzer Altstadt?
Von Reinhard Kallenbach

Das älteste Gebäude in der Koblenzer Altstadt? Diese Frage ist – sieht man einmal von den drei großen Pfarrkirchen ab – gar nicht so leicht zu beantworten. Denn hinter so mancher Fassade, vor allem aber in den Kellern, gibt es viele Überraschungen. Soviel steht fest: Das Haus Kastorstraße 3, besser bekannt unter dem Namen der Gastwirtschaft „Deutscher Kaiser“, ist es auf jeden Fall nicht. Das wohnturmartige Gebäude, das sich gerade in der Endphase von Sanierung und Ausbau befindet, stammt im Kern wahrscheinlich aus dem späten 15. Jahrhundert. Bekanntlich wurde das Haus im Auftrag des Koblenzer Schöffen und kurfürstlichen Münzmeisters Konrad von Lengefeld erbaut, der 1520 starb. Soviel zum offiziellen Teil der Geschichte. Geht man jedoch in Tiefe, wird deutlich, dass der „Deutsche Kaiser“ im Kern wesentlich älter sein dürfte, denn es wurden Teile eines älteren Vorgängers integriert. Das Beispiel zeigt: das typische mittelalterliche oder frühneuzeitliche Haus ist in der Koblenzer Altstadt nicht anzutreffen. Der heutige Zustand ist das Ergebnis eines oft jahrhundertlangen Veränderungsprozesses, in dem die Gebäude immer wieder verändert, umgebaut und aufgestockt wurden. Prozesse, die durch die sehr beengten Lebensbedingungen in der barocken und preußischen Festungsstadt Koblenz beschleunigt wurden.
Die Spurensuche wird vor allem durch die Tatsache erschwert, dass Koblenz immer wieder im Zuge von kriegerischen Auseinandersetzungen hart getroffen wurde: Der Dreißigjährige Krieg, der Pfälzischen Erbfolgekrieg, vor allem aber der Zweite Weltkrieg hinterließen Narben im Stadtbild, die bis auf den heutigen Tag nicht verheilt sind. Dazu kommen große Katastrophen wie zum Beispiel der große Stadtbrand von 1245. Stehen blieb nur das, was massiv gebaut wurde. Und genau deshalb sind im Koblenzer Profanbau aus dem Mittelalter fast ausschließlich Kellergewölbe, Giebelwände oder einzelne Bauteile erhalten, die bei der Errichtung von „Neubauten“ wiederverwendet wurden.
Angesichts dieser Tatsachen wird es wohl niemals möglich sein, tatsächlich das älteste Haus der Altstadt zu ermitteln – auch wenn Kenner gern das „Kapitelhaus“ im Florinsgarten nennen. Das wohl als Sakristei genutzte, aus Tuffsteinquadern hergestellte dreigeschossige Gebäude stammt aus der Zeit um 1200. Zumindest ist das „Kapitelhaus“ damit das älteste vollständig erhaltene Haus der Altstadt. Doch schon ein Blick in die benachbarte Florinspfaffengasse zeigt, dass sich das Rad der Zeit auch heute noch weiter zurückdrehen lässt. So dürften Keller und nördliche Giebelwand des Hauses Florinspfaffengasse 9 noch ein gutes Stück älter sein. Und auch das Nachbarhaus Florinspfaffengasse 5 birgt so manches Geheimnis. Offiziell zu Beginn des 18. Jahrhunderts errichtet, spiegelt es bei näherer Betrachtung die Baukunst des Mittelalters wieder. Wurde doch der Keller mit seinem Kreuzgratgewölbe ebenso in den 1702 errichteten Neubau integriert wie einige Steine älterer Koblenzer Gebäude. Auch in diesem Fall liegt eine Datierung des Gebäudekerns in das 12. Jahrhundert nahe. In der Koblenzer „Unterwelt“ gibt es noch zahlreiche weitere Zeugen des Mittelalters, so etwa am Florinsmarkt, in der Burgstraße und im Sanierungsgebiet zwischen Florinspfaffengasse und Münzstraße. Viele Keller sind noch unerforscht, sodass eine Datierung schwer ist, sodass eine Rekonstruktion des mittelalterlichen Stadtbildes schwierig ist. Dazu kommt, dass es die alte Kastorgasse, in der es vor 1944 den wohl ältesten Gebäudebestand der Innenstadt gab, zunächst durch Bomben, dann durch ehrgeizige Stadtplaner und Architekten komplett „abgeräumt“ wurde.
Trotz der gravierenden Eingriffe der jüngeren Vergangenheit wird man in der Altstadt nach wie vor fündig. So sind zum Beispiel die romanischen Keller unter dem Haus Metternich und unter dem Hotel Metropol noch komplett erhalten. Dennoch hat sich der Blickwinkel der Betrachtung durch die „Königshofdiskussion“ verändert. Während man in diesem Zusammenhang gerne über den Bereich zwischen Florins- und Liebfrauenkirche spricht oder alternativ auf den zweiten „mittelalterlichen Stadtteil“ um die Basilika St. Kastor konzentriert, wird die westliche Kernstadt von der Diskussion weitgehend ausgeklammert. Warum eigentlich? Lag doch dieser Bereich ganz nah an der alten Römerstraße dran, sodass die Spurensuche gerade auch auf den Bereich zwischen Münzplatz und Altengraben auszudehnen ist. Hatten doch hier die führenden Geschlechter im mittelalterlichen Koblenz ihre Wohnsitze, die man sich im Großen und Ganzen ebenfalls als wohnturmartige Gebäude vorstellen muss. Der Straßenname „Altenhof“ erinnert noch heute an eine dieser Anlagen, deren Grundriss sich übrigens heute noch hervorragend im Katasterplan ablesen lässt.

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Mehr noch: Die Hofanlage ist in weiten Teilen noch erhalten – und zwar im auf dem ersten Blick unscheinbaren Haus Altenhof 11, das unter anderem auf einem mächtigen mittelalterlichen Keller errichtet wurde. Vorne sieht die Anlage aus wie ein schmales Rheinisches Dreifensterhaus aus der Mitte des 19. Jahrhunderts, doch geht der Bau nach hinten enorm in die Breite – was man dank der aktuellen Baulücke im Altengraben sehr gut erkennen kann.

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In diesem Haus vereinen sich die unterschiedlichsten Stilelemente: Von der Romanik über die Renaissance über Barock und Klassizismus bis in die Gegenwart. Konsequenterweise wurde das Gebäude vor einiger Zeit unter Denkmalschutz gestellt. Und wenn sich einmal Bauforscher an das Objekt wagen sollten, könnten sie vielleicht Überraschungen entdecken, die Schwung in die stadtgeschichtliche Forschung bringen. Denn um den Altenhof ranken sich uralte Geschichten, in denen es nicht nur Gespenster gibt, sondern eine verborgene Tür, hinter der ein König lauert

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Man sieht: Die Koblenzer Altstadt steckt nach wie vor voller Geheimnisse – auch wenn die Frage nach dem ältesten Haus wohl niemals zufriedenstellend beantwortet wird.