Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 21. Altstadtkirmes 2012

Seit vielen, vielen Jahren spreche ich immer wieder Mitglieder, Freunde und Bekannte an, ob sie möglicherweise Fotos in ihrem Besitz haben, die die Altstadt vor dem Krieg zeigen. Leider ist der Erfolg dieser Anfragen sehr überschaubar, und ich habe inzwischen viele alte Bilder über Auktionsportale ersteigert, aber nur sehr wenige aus dem Umfeld der Vereine. Dies ist besonders deshalb sehr bedauernswert, weil die Generation, die das „alte Koblenz“ noch erlebt hat, immer kleiner wird, und oftmals beim Tod eines alten Menschen vieles aus seinem Besitz einfach weggeworfen wird, weil die Hinterbliebenen nichts damit anfangen können. Zu diesen Dingen gehören oftmals auch Fotos, da sie für den Verstorbenen meist eine große Bedeutung hatten, aber nicht unbedingt für die Erben. Zuweilen werden sie auch für wenig Geld einem Ansichtskartenhändler verkauft oder landen auf einem Flohmarkt. Nur ein Bruchteil der vielen, vielen Zeugnisse des alten Koblenz werden so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, vieles geht leider verloren.

Während es für den Bereich der Weißergasse insbesondere durch meinen Vater Ludwig Rausch, der sich jahrzehntelang um die Sammlung dieser Dokumente verdient gemacht hat, inzwischen eine ansehnliche Anzahl von Fotografien dieses Viertels vor dem Krieg vorliegt, gilt dies leider nicht für das Kastorviertel. Trotz der oben geschilderten Bemühungen gibt es nur wenige zeitgeschichtliche Ansichten aus diesem einst so bevölkerten Teil der Stadt. Deshalb war meine Freude besonders groß, als im letzten Jahr unser Mitglied Karl Gebhard mir einige Bilder zur Verfügung stellte, um sie für mein Archiv einzuscannen. Obwohl es nicht viele Bilder sind, so zeigen sie doch einige Ansichten, die noch nicht allgemein bekannt sind und ein Licht auf das nicht immer einfache Leben in den engen Gassen des Kastorviertels werfen. Auch wird wieder einmal deutlich, warum dieses Viertel im Volksmund immer wieder „Seestadt“ genannt wurde. Von all den Problemen, mit denen die Bewohner zu kämpfen hatten wie z.B. Raumnot, mangelnde hygienische Verhältnisse usw. war sicherlich die Geißel des Hochwassers eine der schlimmsten Plagen. Dadurch, dass ein Großteil des Kastorviertels nur sehr wenig über dem Niveau von Rhein und Mosel lag, war bei einer Überschwemmung immer praktisch das gesamte Viertel betroffen. Oft lief das Wasser bis in die Wohnungen im ersten Stockwerk. Was dies für die Betroffenen bedeutete, kann man sich leicht ausmalen. Allerdings war dadurch auch die Solidarität der übrigen, höher gelegenen Bewohner gefragt. Man rückte dann in den ohnehin beengten Verhältnissen einfach noch ein wenig mehr zusammen. Ich möchte mir gar nicht erst die Frage stellen, ob das in der heutigen Zeit auch noch so funktionieren würde.

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Der Blick aus der alten Kastorgasse in Richtung der Gasse „Unterm Stern“. Deutlich kann man erkennen, dass die Straße im Vergleich zu den heutigen einen viel engeren Zuschnitt hatte. Dabei war die Kastorstraße, wie sie damals hieß, die Hauptstraße dieses ganzen Viertels, die anderen Straßen und Gässchen waren eher noch enger und kleiner. Einen Eindruck davon kann man heute noch in der Gasse „Unterm Stern“ erhalten. Dort, wo diese Gasse im Hintergrund beginnt, kann man übrigens an dem Gebäude links noch die alte Schürgermadonna erkennen. Dort, wo sie auf dem Bild zu sehen ist, war ihr eigentlich Standort über viele, viele Jahre, bis das Haus im Krieg zerstört wurde und das Original in Privatbesitz blieb. Heute steht eine Nachbildung, die u.a. von der Altstädter Brunnengemeinschaft und der Weißergasser Kirmesgesellschaft finanziert wurde, ganz in der Nähe in der Gasse „Unterm Stern“.

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Nein, dies ist nicht die Löhr- oder Marktstraße wie man vielleicht wegen des Turms im hinteren rechten Bildteil vermuten könnte. Es handelt sich vielmehr um den Blick vom Kastorhof in Richtung Kastorgasse. Hier wird deutlich, wie sich die Platzverhältnisse vom großzügigen Kastorhof in Richtung Kastorgasse deutlich veränderten. Rechts im Mittelgrund ist deutlich das Hotel – Restaurant „Zum Karpfen“ zu sehen, das damals sehr bekannt war.

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Hier haben wir eine interessante Ansicht von der Ecke Kornpfortstraße – Kastorgasse. Links am Bildrand ist der „Deutsche Kaiser“ zu erkennen, der damals offensichtlich Klosterbräu ausschenkte. Das Haus, das den größten Teil des Bildes einnimmt, und von dem heute nichts mehr erhalten ist, beherbergte übrigens das legendäre „Fluh-Kinno“, von dem alte Koblenzer noch heute zu berichten wissen. Deutlich zu sehen ist auch der äußerst schlechte Zustand des Gebäudes, der durch Feuchtigkeit verursacht wurde, die die häufigen Überschwemmungen mit sich brachten.

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Wieder einmal hatte das Hochwasser die Seestadt fest im Griff. In diesen Zeiten, wenn die Not groß war, halfen insbesondere auch die Nonnen aus den Klöstern der Umgebung mit Nahrungsmitteln aus. Hier sieht man eine Versorgungsfahrt an der Ecke Eltzerhofstraße – Kastorgasse.

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Ein interessanter Blick auf die Gebäude des Kastorhofs, der Kastorbrunnen erscheint wie eine Insel in den Fluten. Links am Bildrand die Mauer zum Garten des Generalkommandos.

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Auch die gute, alte Kastorkirche war nicht gefeit gegen die Wassermassen, die Rhein und Mosel häufig in die Stadt schoben. Was beweglich war, wurde auf die Bänke gehoben, ansonsten konnte man auch hier nur warten, bis das Wasser sich wieder zurückzog.

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Ein mutiger Fotograf hat dieses Bild von der Mosel aus gemacht. Es zeigt die Moselstraße, die, wenn man so will, die Rückseite der Kastorgasse bildete. Von all diesen Gebäuden ist heute nur noch der Hügel erhalten, auf dem die neue Kastorgasse gebaut wurde. Um endlich eine Hochwasserfreiheit zu erreichen, wurde der Schutt der zerstörten Gebäude genutzt, um diesen Hügel aufzuschütten. Rechts am Bildrand sind die ersten Gebäude des Moselhafens zu erkennen.

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Es gab aber natürlich nicht nur Hochwasser in der Kastorgasse. Karneval wurde auch gefeiert. Dieses Bild von 1934 zeigt u.a. die Herren Karl Gebhard sen., J. Castell und Jäckel in einer Kutsche bei der Aufstellung zum Rosenmontagszug im Bereich des Clemensplatzes.

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Wie eingangs erwähnt, war die Kastorgasse noch eine der „breiteren“ Straßen in diesem Viertel. Dieses Bild, vermutlich vom „Pottgeißers Gässchen“ zeigt, dass es noch enger ging. Kleine Gassen wie diese durchzogen sowohl das Kastorviertel aus auch den Bereich der Weißergasse. Von vielen ist nur noch der Name erhalten. Interessant ist auf diesem Bild auch der festliche Schmuck, der vermutlich anlässlich der Kastorgässer Kirmes ausgehängt wurde.