Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 21. Altstadtkirmes 2012

Die ersten Dampfer auf dem Rhein
von Dr. W. Spies, Koblenz

Dieser Artikel erschien 1932 in dem Buch „Alt-Koblenz, Band 2“ von Dr. Bellinghausen und beleuchtet die Entstehung der Dampfschifffahrt auf dem Rhein sowie die damaligen Schwierigkeiten und Vorbehalte. Leider ist ja mit der „Goethe“ das letzte Kapitel dieser Geschichte unlängst geschlossen worden.

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„Wilhelm – Kaiser und König“ beim Passieren der Schiffsbrücke

Das erste Erscheinen von Dampfschiffen auf dem Mittelrhein – es waren 1816 der „Prinz von Oranien“ und 1817 die „Caledonia“, 1824 der „Seeländer“ – versetzte unsere Urgroßeltern wohl in ebenso lebhaftes Staunen, wie wir es beim Erscheinen des ersten Zeppelin-Luftschiffes über Koblenz 1909 erfuhren. Unsere Vorfahren begriffen kaum, wie ein Boot im Strom, und zwar in der Mitte des Stromes, diesen überwindend und leicht lenkbar, ohne Ruder oder Segel und ohne vorgespannte Pferde von Köln nach Koblenz stromauf fortbewegt werden konnte! War doch die Bergfahrt der Boote – auch der zu Reisen und Vergnügungsfahrten benutzten „Yachten“, – seit die Welt bestand, an das mühsame Treideln durch Halterpferde (oder auch Menschen!) gebunden gewesen, hie und da nur konnte am Ufer entlang gesegelt oder gerudert werden.

Nun dieses Wunder! Freilich ging die Einführung der Dampfschifffahrt auf dem Rhein nicht so leicht vonstatten. Wir können zwei authentische Berichte von 1816 und von 1824 vorführen, die interessieren werden; ist doch Koblenz der Mittelpunkt des großen Personenverkehrs der Rheindampfer und wird es bleiben.

Die „Kölnische Zeitung“ berichtet am 13. Juni 1816:
„Heute gegen Mittag erblickten wir hier auf unserem schönen Rheinstrom ein wundervolles Schauspiel. Ein ziemlich großes Schiff, ohne Mast, Segel und Ruder kam mit ungemeiner Schnelle den Rhein heraufgefahren. Die Ufer des Rheins, die hier vor Anker liegenden Schiffe waren in einem Augenblick von der herbeiströmenden Volksmenge bedeckt. – Das die allgemeine Neugier reizende Schiff war ein von London nach Frankfurt reisendes englisches Dampfboot. Jedermann wollte den inneren Bau dieses Wunderschiffes und die Kräfte erforschen, welche dasselbe in Bewegung setzen. Seine innere Einrichtung, flüchtig betrachtet, ist folgende: Der innere Schiffsraum zerfällt in drei Teile, wovon die äußeren ein Wohnzimmer und der mittlere einen Feuerherd samt den Brennstoffen enthalten. Dieser ist oben mit Steinen zugedeckt, brennt beständig und verwandelt das siedende Wasser in Dämpfe, welche die Walze treiben, die in jedem ihrer Enden ein Rad mit acht Schaufeln hat, wodurch die Kraft der Ruder ersetzt und das Schiff fortgetrieben wird.“

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„Kaiserin Auguste Victoria“ vor dem deutschen Eck

Eine englische Gesellschaft wünschte das Monopol für die Dampfschifffahrt auf dem Rhein von der preußischen Regierung zu erlangen, was aber abgelehnt wurde. Das Jahr 1817 war jedoch so ungünstig wie möglich für die Begründung eines neuen Schifffahrts-Betriebes, denn dieses Jahr war ein schlimmes Hungerjahr; die Nachbeben der großen Kriege waren im Rheinland scharf zu spüren.
Gleichwohl erschien wieder ein englischer Dampfer, und zwar die „Caledonia“, die über den Kanal in die Schelde, die Maas und den Rhein hinauf bis nach Koblenz fuhr.

Während 1816 das erste Schiff – der „Prinz von Oranien“ wohl nur bis Köln gekommen war, ist diese „Caledonia“ also der erste Dampfer, der bis nach Koblenz vordrang. Über ihre Fahrt und die Anteilnahme der Koblenzer Bevölkerung an diesem Ereignis ist bisher freilich kein näherer Bericht gefunden. Wir wissen nur, dass die „Caledonia“ dem Engländer Watt gehörte und zwei Maschinen von je 50 PS hatte.

Es mag auch sein, dass der allgemeine Widerstand des Schifferstandes gegen das neue Verkehrsmittel die Verwirklichung weiterer Pläne zunächst hinderte. Noch 1825 gab die Mainzer Handelskammer ihr Gutachten: „Der Gedanke, die jetzt bestehende Schifffahrt durch die Dampfschifffahrt ganz verdrängen zu lassen, kann keinem vernünftigen Menschen einkommen“. Die Gründung der niederländischen „Stoomboot-Maatschappj“ und das Vorgehen der Kölner Handelskammer brachte den großen Handel erst seit 1825/27.

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„Vaterland“ vor der Kulisse der Festung

Im Herbst 1824 entsandten nun die Holländer ihren „Zeeuw“ (Seeländer)
Der Bericht über dessen Probefahrt gibt uns ein lebendiges Bild der Zeit und aller die Fahrt erschwerenden Umstände, dass seine Wiedergabe sich sehr verlohnt: „Frankfurter Journal“ schreibt am 19. November 1824:

„Seit kurzem haben wir sehr vieles über die Dampfschifffahrt und insbesondere über deren nahe bevorstehende Einführung auf dem Rheine in öffentlichen Blättern gelesen; die meisten Berichte dieser Art aber scheinen uns einseitig oder nicht mit Sachkenntnis gearbeitet zu sein – einseitig in der Hinsicht, dass man diese allerdings geniale Erfindung in ihrem praktischen Nutzen, besonders in ihrer Anwendung auf unserer Flüsse und in Beziehung auf Warentransporte, für jetzt schon zu unbedingt hoch erhob. Schon sah man im Geiste auf unseren Strömen nichts mehr als Dampfboote, schon sah sich der ohnehin für den jetzigen beschränkten Handelsverkehr im Überfluss vorhandene Schifferstand noch viel mehr reduziert, schon bedurfte man keine Halfterpferde mehr, als sich denn doch nach den jüngsten abermaligen Versuchsreihen der niederländischen Dampfschifffahrtsgesellschaft auf dem Rheine die Sache anders herausstellte, bei welcher dann der scharfe Blick Schwierigkeiten gewahr wurde, welche teils die Natur darbot, teils durch die ungeheuren Kosten sowohl der Maschinen selbst als deren Belebung durch Brennmaterial entstehen, so dass fürs erste oben genannte Stände, den Transport der Reisenden vielleicht ausgenommen, an der Dampfschifffahrt auf dem Rheine keinen Rivalen zu erhalten fürchten dürfen.

Im Monat September d.J. beschloss die Direktion der Nederlandschen Stoomboot-Maatschaapj zu Rotterdam, einen neuen Versuch zu machen, ob und inwiefern die Dampfschifffahrt auf dem Rheine anwendbar sei; gleichzeitig wendete sie sich an das Königlich Niederländische und Königlich Preußische Staatsministerium mit der Bitte, den betreffenden Behörden längs den zu befahrenden Stromstrecken die Weisung zu erteilen, diesem Versuche nicht nur keine Hindernisse in den Weg zu legen, sondern vielmehr jeden möglichen Vorschub zu leisten…

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„Cecilie“ auf dem Rhein, im Hintergrund der Rittersturz

Am 26. v. Mts. begann nun die Fahrt, von Rotterdam aus, (…)
Abends um zehn Uhr traf man in Andernach ein…Der Mangel an dem gehörigen Brennmaterial und der Schlamm, welcher sich in den verschiedenen Gängen der Maschine angesetzt, hatten die Wirkung, dass die Wasserräder anfänglich in der Minute nur 26 bis 27, späterhin aber nur 22-23mal sich um ihre Achse drehten.
Die Umstände, welche das Dampfboot am 30. Oktober verhindert haben, schneller von Köln bis Andernach zu gehen, bestanden auch in demselben Maße am folgenden Tage, dem 31. Oktober, und waren ebenfalls Ursache, dass der Weg von Andernach nach Koblenz, wo man gegen 12 Uhr ankam, nur in vier und einer halben Stunde zurückgelegt werden konnte; hier beschloss man, den Rest des Tages zuzubringen, die Maschine reinigen zu lassen, um besseres Brennmaterial sich umzusehen und die Fortsetzung der Reise bis zum anderen Tag um sechs Uhr in der Frühe, wo der Brückenmeister die Brücke zu öffnen versprach, auszusetzen.
Der Brückenmeister hielt jedoch sein Versprechen nicht, denn obgleich die Umstände, unter welchen er Tags vorher das Öffnen der Brücke zugesagt hatte, alle eingetreten waren, so weigerte er dennoch die Durchfahrt bis nach elf Uhr dadurch, dass er keine merklichen Anstalten zur Öffnung derselben machte; auf diese Weise verlor man fünf Stunden.
Die Fahrt von Koblenz begann also am 1. November nach 11 Uhr des Morgens, und abends um 5 Uhr war man zu St. Goar angekommen, wo übernachtet wurde. Am 2. November wollte man die Fahrt weiter fortsetzen, es wurden auch um 7 Uhr des Morgens die Anker gelichtet und die Maschine in Bewegung gesetzt, 400 bis 500 Schritte vom Ankerplatz entfernt fand man aber eine so starke Strömung, dass die ganze Kraft der Maschine notwendig war, um zu verhindern, dass das Boot der Strömung folgte; es war also an ein Vorrücken nicht zu denken, man kehrte daher, nach einem halbstündigen fruchtlosen Versuch, diese Strömung zu besiegen, an den Ankerplatz zurück. (…)
Ob die Dampfschifffahrt im Allgemeinen mit Nutzen auf dem Rhein, und vorzüglich zum Transport der Waren anzuwenden sei, ist eine Frage, die der unbefangene Denker nicht so leicht bejahen wird.“

Im Jahre 1825 fuhr – auf Anregung der Kölner Handelskamme – König Friedrich Wilhelm III. auf dem holländischen Dampfer „Rhein“ von Koblenz nach Köln. Dieser Dampfer wurde (zum Andenken) in „Friedrich Wilhelm“ und das Jahr darauf in „Prinz Friedrich“ umgetauft, – denn die 1826 begründete „Rheinpreußische Dampfschifffahrtsgesellschaft“ zu Köln stellte einen neuen Dampfer, „Friedrich Wilhelm“, zugleich mit der „Concordia“ in Dienst.

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„Undine“ kurz hinter der Schiffsbrücke

Die 1836 begründete Düsseldorfer Gesellschaft für den Nieder- und Mittelrhein hatte mit ihren auf deutschen Werften unternommenen Schiffsbauten zunächst wenig Glück. Das erste 1838 in Duisburg bestellt Boot „Kronprinzessin von Preußen“, das dann „Komet“ und schließlich „Stadt Bonn“ getauft wurde, musste mehrmals umgeändert werden. „Der Komet – kommt zu spät“, hieß es im Volksmunde. Die Maschine brach und musste durch eine englische ersetzt werden. Dann bohrte der „Komet“ das Holländer Boot „Stadt Keulen“ in den Grund. Völlig umgebaut erschien er 1842 als „Stadt Bonn“ wieder. Von diesem interessanten Schiff hat der langjährige Kapitän W. Visser selbst ein Modell geschnitzt, welches dann dessen Sohn R. Visser-Düsseldorf dem Koblenzer Rhein-Museum als Stiftung zuwandte (1912).

Der hellgrüne Anstrich der früheren Dampfer wirkte erfreulicher für das Auge als der der heutigen. Elegante Formen zeigte insbesondere auch der erste, ganz aus Eisen in London erbaute Dampfer „Viktoria“ (1839 in Dienst gestellt), wovon das Rhein-Museum ein schönes Modell dem Direktor der Düsseldorfer Gesellschaft, Freiherrn v. Rolf, verdankt. Die Kölner Gesellschaft hatte 1830 der Guten Hoffnungshütte ein Schiff „Stadt Mainz“ geliefert (Modell im Rhein-Museum, als das erste in Deutschland erbaute Dampfschiff), dessen Maschinen sich aber nicht bewährten. 1832 wurden zwei neue Schiffe, „Stadt Mainz“ und „Stadt Koblenz“, auf den Werften von Jakobi, Haniel und Huyssen in Ruhrort gebaut, in Dienst gestellt.