Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 21. Altstadtkirmes 2012

Nein, keine Angst, hier geht es nicht um ein Märchen der Gebrüder Grimm. Obwohl die Geschichte schon ein wenig märchenhaft klingt. Es begann damit, dass Michael Schönberg von der Druckerei Rhemo-Druck, der seit vielen Jahren für die hochwertige Produktion unserer Festschrift verantwortlich ist, mir im letzten Jahr von einem Urlaubserlebnis erzählte. Er hatte nämlich im Urlaub im Nordosten Deutschlands zufällig eine Sendung des MDR gesehen, in der es um eine der größten Sektmarken Deutschlands ging, um den Rotkäppchen-Sekt. Nachdem ich über den Mitschnittservice des MDR die Sendung erhalten hatte, schaute ich mir das Ganze einmal an.

In dieser Sendung mit dem Titel „Die Spur der Ahnen“ können sich Zuschauer melden, die möglicherweise mit einem bekannten Menschen aus der Vergangenheit verwandt sind. Im vorliegenden Fall hatte sich eine gewisse Nicole Lewalder an den Sender gewandt, weil sie im Internet auf der Seite der Firma Rotkäppchen-Sekt von einem gewissen Kellermeister Lewalder gelesen hatte. Sie wollte wissen, ob dieser Kellermeister ein Vorfahre von ihr gewesen sei.

Bis hierhin war diese Sendung recht informativ, jedoch für die Koblenzer noch nicht wirklich bedeutsam. Was jedoch die Sachlage auf einen Schlag änderte, war eine Tatsache, die der MDR bei seinen Recherchen herausfand. Hierzu muss ich ganz kurz auf die Geschichte des Rotkäppchen-Sektes in Freyburg eingehen. Wikipedia sagt über die Anfänge dieses Unternehmens Folgendes:

Die Brüder Moritz und Julius Kloss gründen zusammen mit ihrem Freund Carl Foerster am 26. September 1856 die Weinhandlung Kloss und Foerster. Im August des gleichen Jahres hatten sie sich bereits an der Gründung der ersten Freyburger Champagner-Fabrik-Gesellschaft beteiligt. Deshalb reifte im Winter des ersten Geschäftsjahres der Entschluss, neben dem Weingeschäft eine Champagner-Fabrik zu errichten. Der erfahrene Kellermeister Lewalder begann seine Arbeit, und es wurde Sekt von Kloss & Foerster produziert.

In der Sendung wird dargestellt, wie schwierig und aufwändig die Sektproduktion damals war. Nur ein ausgewiesener Experte war in der Lage, die vielen Schwierigkeiten bei diesem Unternehmen zu meistern.

Auch auf der offiziellen Webseite von Rotkäppchen wird dieser ominöse Herr Lewalder erwähnt, und in dem Kellerbuch aus dieser Zeit existiert ein Eintrag über einen „Kellermeister G. Lewalder“. In einer Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum wird darüber hinaus die Einstellung eines Kellermeisters Gottlieb Lewalder im Jahre 1857 bestätigt. Und dieser Gottlieb Lewalder soll aus Koblenz nach Freyburg gekommen sein!

Spätestens jetzt war mein Interesse natürlich geweckt, denn wenn es sich als wahr herausstellen sollte, würde dies bedeuten, dass der erste Sekt des Unternehmens, das seine Produkte später wegen der roten Verschlüsse „Rotkäppchen“ nannte, von einem Koblenzer hergestellt worden ist. Mehr noch, eigentlich war der große Erfolg dieses Unternehmens in hohem Maße diesem Herrn Lewalder zu verdanken.

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Auszug Adressbuch 1857

Das Team des MDR recherchierte dann auch in Koblenz, und in einem Adressbuch des Jahres 1857 wurden sie fündig.
Obwohl die meisten der Lewalders offensichtlich Weißergässer waren, ist hier der Eintrag aus der Löhrstraße wichtig. Tatsächlich war im Jahre 1857 dort ein Kellermeister Gottlieb Lewalder gemeldet.

Das wäre schon ein arger Zufall, wenn es sich nicht um den ab diesem Jahr in Freyburg tätigen Kellermeister gehandelt haben sollte. Um die Sache abzurunden, prüfte der MDR auch nach, ob der Koblenzer Gottlieb Lewalder danach noch dort gemeldet war. Aufgrund der Tatsache, dass der Kellermeister Lewalder in Freyburg 13 Jahre tätig war und anschließend keine weitere Informationen über ihn vorlagen, überprüfte man die Adressbücher der nächsten Jahre in Koblenz. Und tatsächlich, in den vorliegenden Verzeichnissen der Jahre 1859, 1863 und 1868, den Jahren also, in denen der Kellermeister Gottlieb Lewalder in Freyburg tätig war, gab es keinen auf diesen Namen lautenden Eintrag in Koblenz.

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Auszug Adressbuch 1859

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Auszug Adressbuch 1863

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Auszug Adressbuch 1868

Ganz offensichtlich handelte es sich also um dieselbe Person. Geradezu ein Glücksfall wäre es natürlich, wenn Gottlieb Lewalder nach seiner Tätigkeit in Freyburg wieder nach Koblenz zurückgekehrt wäre. Das erste Adressbuch, das nach Ablauf der 13 Jahre zur Verfügung stand, war das aus dem Jahre 1873.

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Auszug Adressbuch 1873

Und, tatsächlich, da war er wieder! Mehr noch, offensichtlich hatte er mit dem in Freyburg verdienten Geld eine Schankwirtschaft eröffnet, da seine Berufsbezeichnung nunmehr „Wirth“ lautete.
Allerdings scheint er nicht allzu lange etwas davon gehabt zu haben, denn der Eintrag im Verzeichnis von 1879 deutet darauf hin, dass er bereits verstorben war.

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Auszug Adressbuch 1879

Damit kann man es als erwiesen ansehen, dass tatsächlich das große Unternehmen Rotkäppchen-Sekt seine Entstehung in erheblichem Maße einem Koblenzer verdankt. Zukünftig kann man also neben dem Deinhard auch ruhigen Gewissens einen Rotkäppchen-Sekt mit einem gewissen Lokalstolz genießen.

Eine Anekdote noch am Rande. Es interessierte mich natürlich, was Gottlieb Lewalder vor seiner Zeit als Kellermeister getan hat. Erstmals fand ich seinen Namen (noch „Lewalter“ geschrieben) in den Adressbüchern der Jahre 1840 und 1848, und dort war als Berufsbezeichnung angegeben: Schuhmacher! Wäre er nach dem alten Sprichwort bei seinen Leisten geblieben, hätte sich vielleicht die Geschichte von Rotkäppchen auch anders entwickelt!

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Auszug Adressbuch 1840

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Auszug Adressbuch 1844