Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 18. Altstadtkirmes 2009

Die Gasversorgung der Stadt Coblenz
Von Stadtbaurat Diplom-Ingenieur Einsmann
Aus „Deutschlands Städtebau – Coblenz“, 2. Auflage;
DARI-Verlag , 1925, S. 132

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Gesamtansicht von der Trierer Straße

Die Entwicklung unserer Finanzgesetze nach dem Kriege hat den Städten bekanntlich die Aufbringung der Gelder zur Bestreitung ihrer Haushalte sehr erschwert, Die Bedeutung eigener Erwerbsinstitute für die Kommune ist dadurch stark in den Vordergrund gerückt. Glücklich die Städte, die heute Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerk ihr Eigen nennen können. Die Stadt Coblenz kann dies leider nur mit ihrem Gas- und Wasserwerk, während das Elektrizitätswerk im Besitze der Gesellschaft für elektrische Unternehmungen in Berlin, also in privaten Händen ist. Ein erst im Jahre 1912 abgeschlossener Vertrag überträgt der Gesellschaft die Lieferung elektrischer Energie bis zum Jahre 1984 und zwar als Monopol bis zum Jahre 1937. Alsdann erst kann die Stadt selbst die Lieferung elektrischer Energie übernehmen oder einem Dritten übertragen. Möge die Stadt nicht die Gelegenheit versäumen, durch Ausnutzung ihrer Rechte die Energieversorgung durch Bau eines Elektrizitätswerkes selbst zu übernehmen. Welcher Nachteil der Stadt durch den Abschluss dieses unglücklichen Vertrages entstanden ist, macht sich jedes Jahr bei der Etatberatung von Neuem bemerkbar. Sind es doch viele Hunderttausende von Mark an Einnahmen, die der Stadt jährlich entgehen! Abgesehen davon würden bei der Elektrizitätsversorgung durch die Stadt bald die vielen groben Missstände, die heute z. B. unser Straßenbahnwesen zeigt, verschwinden. Eine der hauptsächlichsten finanziellen Stützen von Coblenz ist sein Gaswerk. Bei seinen Anfängen mochten die Stadtväter nicht ahnen, zu welcher Bedeutung es noch einmal für das Erwerbswesen von Coblenz und insbesondere auch für seine Finanzen werden sollte.

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Hofansicht des Gaswerkes

Anfang des 18. Jahrhunderts schon wurde die erste Gasanstalt in England in Betrieb genommen. Bald tauchte auch die Gasbeleuchtung in Deutschland auf. Im Jahre 1818 suchte der Wittlicher Unternehmer Deuster die Konzession zum Betrieb eines Gaswerks in Coblenz zu erlangen. Die Stadt hatte aber kein Vertrauen zu ihm, Auch die Tatsache, dass Deuster im Gasthof Zur Stadt Lüttich in Coblenz auf dem Alten Graben eine kleine Gasbeleuchtungsanlage eingerichtet hatte, konnte die Stadtväter nicht umstimmen. Inzwischen hatte die Stadt Köln das Gas zur Straßenbeleuchtung eingeführt. Eine von Coblenz eingeholte Auskunft über Bewährung dieser neuen Beleuchtungsart lautete günstig. Im Jahre 1824 trat eine Gesellschaft aus Maastricht an die Stadt heran, um auch hier dieselbe Beleuchtungsart, wie in Köln einzurichten; jedoch scheiterten die Verhandlungen, weil die Beleuchtungskosten für Gas sich um ein Drittel höher gestellt hätten, als die bestehende Ölbeleuchtung. Die Straßen der Stadt wurden nämlich bisher durch 335 Öllampen beleuchtet. Die hölzernen Laternenpfähle, die Lampen, Seile und Zugketten gehörten der Stadt, während die Öllieferung, die Unterhaltung und Bedienung der Lampen alljährlich an den Mindestfordernden vergeben wurden. Die Lampen brannten nur in den Wintermonaten von Oktober bis März, während sie im Sommer zur Instandsetzung abgenommen wurden. Selbstverständlich brachte die Ölbeleuchtung viele Unzuträglichkeiten mit sich. Die Ausgaben für die Ölbeleuchtung erforderten im Jahre 1828 einen Kostenaufwand von jährlich 1070 Talern. Trotz der von zwei ausländischen Firmen (Peteau in Fournay und Bertrand in Charleroi) im Jahre 1837 eingereichten Angebote für die Straßenbeleuchtung, nach welchen die Kosten der Gasbeleuchtung die der Ölbeleuchtung nicht überstiegen, wurden die Parteien nicht einig.

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Ladeflur der Kammeröfen
Im Jahre 1840 wurde bei dem Gastwirt Hoche (heute Coblenzer Hof) eine Gasanlage zur Beleuchtung des Hauses eingerichtet; ein Jahr später eine solche für das Civil-Casino. Auch dem Stadtrat blieb die Notwendigkeit der Verbesserung der Straßenbeleuchtung nicht verschlossen. Er unterhandelte mit den Firmen Haldy, Bingel & Co. sowie Robener, Eesener und Lunnebach, die anfänglich beide für die Brennstunde 4 ½ Pfennige forderten. Der Stadt gelang es, von der letztgenannten Gesellschaft eine Ermäßigung auf 3 ¼ Pfennig zu erlangen. Der Antrag auf Abschluss eines Vertrages mit dieser Firma fand jedoch nicht die Genehmigung der Regierung, weil eine öffentliche Ausschreibung unterblieben war. Diese erfolgte nun, worauf sich jedoch nur ein Unternehmer, die Firma Charles Blanchet,chefde la compagme de l’eclairage par le gaz Blanchet freres, Fram;ois et compagnie in Paris, meldete. Mit dem Coblenzer Vertreter der Gesellschaft, Carl Lunnebach, schloss nun die Stadt am 17. Oktober 1845 einen Vertrag ab, der 25 Jahre lief und für die Flamme und Stunde 3 ¾ Pfennig festsetzte. Dieser für die Stadt ungünstigere Vertrag fand nun die Genehmigung der Regierung. Nach Überwindung vieler Schwierigkeiten fand endlich im Mai 1847 eine Probebeleuchtung statt. Es zeigten sich jedoch schon bald solche Mängel, dass die Stadt schon fürchtete, im nächsten Winter die alten Öllaternen wieder hervorholen und neue Laternenpfähle kaufen zu müssen, nachdem die alten schon veräußert waren, Die Gesellschaft hatte auch dadurch einen schlechten Ruf bekommen, dass sie viele Handwerker und Lieferanten nicht bezahlte, Endlich begann am 1. September 1847 die regelmäßige Gasbeleuchtung. 1862 trat die Lyoner Gasgesellschaft, die inzwischen das Unternehmen übernommen hatte, an die Stadt mit dem Vorschlag heran, den bestehenden Vertrag auf 40 Jahre zu verlängern; sie verpflichtete sich, dafür sofort einen Preisnachlass von 20 % zu gewähren. Die Stadtverordneten lehnten in weiser Voraussicht diesen Antrag ab.

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Entladeflur der Kammeröfen

Das Gaswerk stand damals im Moselweißerfeld auf einem Teil des Grundstückes des heutigen Krankenhauses Marienhof. Es war eine kleine Anlage, die den stark wachsenden Ansprüchen der Stadt nicht genügen konnte. Da nun für das Jahr 1872 der Ablauf des Vertrages mit der Lyoner Gesellschaft bevorstand, beauftragte die Stadt schon im Jahre 1869 den Ingenieur Krakau mit der Ausarbeitung von Plänen für ein neues städtisches Gaswerk. Während des Krieges 1870-71 wurde vom Gouverneur der Festung Coblenz das alte französische Werk mit Beschlag belegt und der Verwaltung der Stadt unterstellt. Diese beauftragte mit der Führung des Betriebes den mit den Projektarbeiten für ein neues Gaswerk für sie beschäftigten Ingenieur Krakau. Am 10. April 1871 erhielt die französische Gesellschaft das Gaswerk zurück; sie stellte jedoch im gleichen Jahre ihre Tätigkeit ganz ein, sodass von diesem Zeitpunkt an das inzwischen fertiggestellte städt. Gaswerk, das an der Laubach errichtet war, allein Gas für Coblenz lieferte. Auch diese neue Anlage, die nur für eine Abgabe von 1 Million cbm gebaut war, war bald zu klein, eine Erweiterung des alten Gaswerkes war unzweckmäßig und kam auch schon wegen seiner ungünstigen Lage zur Bahn nicht in Frage. Deshalb trat man im Jahre 1894 dein Gedanken einer Neuanlage näher. Die Projekte für die Neuanlage wurden durch den Ingenieur Grahn, der für die Stadt auch das Wasserwerk geschaffen, sowie durch den Leiter des städt. Gas- und Wasserwerks Bentzen ausgearbeitet. Die Pläne für den Neubau fanden am 21. November 1895 die Genehmigung der Stadtverordnetenversammlung. Nachdem auch die Staats- und Militärbehörden der geplanten Ausführung zugestimmt hatten, wurde im April 1897 mit dem Neubau begonnen. Er kam auf einem Gelände im Rauental in der Nähe des Coblenzer Schlachthofes zum Erstehen. Schon im Dezember 1897 wurde das erste Gas an die Stadt abgegeben. Bis zum 1. April 1901 arbeitete auch noch das alte, an der Laubach gelegene Gaswerk mit, das alsdann wegen Unrentabilität still gelegt wurde. Die Notwendigkeit des Neubaues erwies sich aus der Steigerung des Gasverbrauches, der vom Jahre 1895 mit 2 ½ Millionen cbm bereits auf das Doppelte im Jahre 1904 gestiegen war.

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Einzelvorlage der Kammeröfen

Auf dem neuen Grundstück im Rauental, das von ausreichender Größe und überdies erweiterungsfähig war, konnte dann auch der notwendige Gleisanschluss für die Heranbeförderung von Kohlen und Materialien bewerkstelligt werden. Im Jahre 1914 erhielt das bisher mit Cozeöfen eingerichtete Gaswerk anstatt dieser eine moderne Vertikalofen-Batterie. Gleichzeitig wurden im Jahre 1814 mit der in Engers gelegenen Konkordiahütte Verhandlungen über den Bezug von Ferngasaufgenommen. Die Verhandlungen führten im Jahre 1915 zu einem Vertragsabschluss mit der Hütte, nach welchem diese gehalten war, bis zu 20.000 cbm Gas täglich an das Gaswerk Coblenz zu liefern. Es wurde eine Fernleitung von 13 km Länge und 200 mm l. W. von der Hütte über Bendorf, Vallendar, Ehrenbreitsiein über die Pfaffendorfer Brücke nach Coblenz gelegt. Bereits in den Kriegsjahren erwies sich der Vertrag insofern als wenig vorteilhaft für die Stadt, als die Hütte ihren Verpflichtungen in keiner Weise nachkam und die Gasversorgung der Stadt infolgedessen wiederholt empfindliche Störungen erlitt. Nach dem Kriege besserte sich dieser Zustand nicht, sodass Direktor Einsmann die Erweiterung der Ofenanlage vorschlug. Der Vorschlag wurde von der Stadtverordnetenversammlung angenommen. Die Gasabgabe, welche im Jahre 1914 noch rund 6 Millionen cbm betrug, steigerte sich bis zum Jahre 1920 auf 8 Millionen cbm. Der Vertrag mit der Hütte lief weiter. Da aber durch allerlei Störungen auf der Hütte, insbesondere durch Streiks, die Gasversorgung der Stadt Coblenz noch immer recht unsicher blieb, so wurden schon damals für den weiteren Ausbau des Gaswerks die erforderlichen Pläne aufgestellt.

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Kokstransportanlage

Die Durchführung der Projekte wurde durch die Inflationszeit gestört, sie kamen erst Ende 1923/24 und Anfang 1925 zur Ausführung. Es sind weitere Vertikal-Kammeröfen, ferner eine neue Koksabtransporteinrichtung gebaut worden; die Apparateanlage ist entsprechend vergrößert worden. Außerdem sind Anlagen für die Gewinnung und Verarbeitung der Nebenprodukte (schwefelsaures Ammoniak und Reinbenzol) errichtet worden. Der Bau eines großen Gasbehälters von 60.000 cbm Inhalt befindet sich z. Zt. noch in Ausführung. Die Notwendigkeit dieser Vergrößerungen geht daraus hervor, dass sich die Abgabe im Jahre 1924 auf 10 Millionen cbm gesteigert hat. Das Gaswerk hat ein Rohrnetz von rund 100 km Länge, an welches rund 11.500 Konsumenten angeschlossen sind. Nachdem festgestellt wurde, dass der Verbrauch an Leuchtgas dauernd zurückgeht, hat das Gaswerk mit so gutem Erfolg das Gas für Raumheizung propagiert, dass in kaum 1 ½ Jahren rund 3.600 Heizöfen aufgestellt worden sind. Es ist zu erwarten, dass bald auch das Gas zu Zentralheizungszwecken Verwendung findet, nachdem die im vergangenen Winter angestellten Versuche befriedigend ausgefallen sind. Die weitere lebhafte Nachfrage nach Öfen und die Propagandatätigkeit des Gaswerks für das Gas zu Koch- und Heizzwecken lässt eine weitere Steigerung des Gasabsatzes und eine weitere Entwicklung des Gaswerkes zum Vorteil der Stadt voraussehen.