Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 18. Altstadtkirmes 2009

Obwohl der Titel es vielleicht vermuten lässt, geht es in diesem Artikel nicht um eine Beschwörung der „guten, alten Zeiten“. Diese Bezeichnung ist vielmehr der Name eines Reliefs, das vor ca. 100 Jahren geschaffen wurde und seitdem schon einiges erlebt hat.

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Die „Gute alte Zeit“ an ihrem früheren Standort neben St. Florin

Begonnen hat die Geschichte für mich, als mich mein Vater Ludwig Rausch vor einigen Jahren auf ein Relief hinwies, das im Garten neben der Florinskirche auf dem Boden an der Seitenwand der Kirche stand. Das Steinrelief war schon von Pflanzen bewachsen, und im unteren Teil hatte es sich durch die Feuchtigkeit schon verfärbt. Interessant war allerdings das Motiv. Es zeigte einige Bürger, die im Wirtshaus bei einem guten Trunk dem Kartenspiel frönen, dabei ebenso wie der Wirt die unvermeidbare Zigarre qualmend. Das Bild strömt einen Hauch der Gemütlichkeit aus, der selbst an diesem recht behelfsmäßigen Ort spürbar ist.

Mein Vater erzählte mir dann noch, dass dieses Relief früher am „Heitger-Haus“, also dem Haus Kornpfortstraße 17, das dem Dachdeckermeister Fritz Heitger gehörte, angebracht war. Wir unterhielten uns ganz unverbindlich darüber, dass es schön wäre, wenn diese Steintafel wieder an einem Ort angebracht würde, wo sie besser zur Geltung kommt und auch einem größeren Publikum eher zugänglich ist. Wie es der Zufall wollte, hatte Werner Hock, einer der Sänger im MGV Viktoria, der auch in der Stiftung Florinskirche tätig ist, Kontakt mit der Familie Heitger in dieser Angelegenheit.

Dies gab mir die Möglichkeit, in einem Gespräch mit Frau Irmgard Heitger, bei dem auch ihre Tochter und ihr Neffe anwesend waren, etwas über die Hintergründe des Reliefs zu erfahren. Der Ursprung der Geschichte liegt in der Rheinstraße, genauer in der Hausnummer 12. Dort, in unmittelbarer Nähe zum Geburtshaus des großen Joseph Görres, befand sich bereits im 19. Jahrhundert eine Gastwirtschaft. So weist das Adressbuch der Stadt Coblenz für das Jahr 1863 unter dieser Adresse einen Johann Joseph Kröll aus, von Beruf Gastwirt. 1902 wird als Eigentümer dann ein Jacob Trachten aufgeführt, der wiederum der Großvater von Frau Heitger war. Bereits zu diesem Zeitpunkt befand sich an dieser Stelle ein Gasthof mit dem Namen Rheingold, der von Herrn Trachten betrieben wurde.

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Interessant wird es im Jahre 1912, als dieser Jacob Trachten einen Antrag zur Errichtung eines neuen Gebäudes auf dem Grundstück stellte. Der beauftragte Architekt Weber hatte zu diesem Zweck eine Zeichnung des geplanten 5-stöckigen Gebäudes erstellt, auf der über der Tür bereits ein Relief zu erkennen ist, das drei Männer an einem Tisch zeigt. Da diese Becher vor sich stehen haben, ist die Assoziation zur Gaststube bereits gegeben.

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Als das Hotel/Restaurant bald darauf seine Pforten öffnete, prangte über der Eingangstür das Steinrelief, das gegenüber der Version auf der Bauzeichnung noch deutlich verfeinert wurde, um die Gemütlichkeit der Wirtshausszene zu betonen. Unter dem Relief war der Name angebracht: „Die gute alte Zeit“. Offensichtlich ist das Schwelgen in der Vergangenheit kein Privileg der heutigen Zeit, man sehnte sich bereits damals zurück, möglicherweise nach der verklärten Biedermeierzeit.

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Das prachtvoll gestaltete Gebäude hatte trotz der relativ geringen Breite eine beeindruckende Größe. Der große „Speise- und Concert-Saal“ z.B. bot damals Platz für 400 Personen. Die günstige Lage in unmittelbarer Nähe zu den Anlegestellen der großen Dampfschiffe dürfte sich auch positiv auf das Geschäft ausgewirkt haben. Nach dem Tode von Jacob Trachten 1917 betrieb seine Frau Katharina den Betrieb zunächst weiter. Wie auf der Ansichtskarte zu sehen ist, blieb es jedoch nicht bei der Nutzung als Hotel und Restaurant. Um 1920 entstand ein Lichtspieltheater. Die Abbildung dürfte um 1931/32 entstanden sein, da gerade der damals populäre Film „Bomben auf Monte Carlo“ gezeigt wurde. Auch ein Friseursalon befindet sich in dem Gebäude. Nach wie vor jedoch stand die Nutzung als Hotel im Vordergrund. Das Verzeichnis der Koblenzer Beherbergungsbetriebe von 1938 führt das „Rheingold“ als Haus der Kategorie B mit 35 Betten, von denen 20 mit fließendem Wasser ausgestattet waren, eines sogar mit einem Privatbad. Die Kosten für volle Pension betrugen in der Saison 5 – 6 Reichsmark, außerhalb waren es 4 – 5. Inzwischen wurde der Betrieb von Fritz und Josefine Henkel, die eine Tochter von Jacob und Katharina war, betrieben.

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Eigentlich war dem Hotel eine blühende Zukunft beschieden, aber wie so viele Schmuckstücke der Stadt ereilte auch das Gebäude Rheinstraße 12 am 6. November 1944 das Schicksal der völligen Zerstörung durch einen Bombenangriff. Nur das Eingangstor und, wie zum Hohn, „die gute alte Zeit“ blieben erhalten.

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Das Relief wurde von der Familie aus den Trümmern geborgen und zunächst privat aufbewahrt, übrigens auch im Florinsgarten, wohin es später wieder gelangen sollte. Da die Stadt Koblenz das Gelände in der Rheinstraße nutzen wollte, war ein Neubau an gleicher Stelle durch die Familie nicht möglich. Es entstand dort übrigens ganz im Stil der damaligen Koblenzer Bautätigkeit der Komplex des Riesenfürstenhofs, der sich bis heute sehr negativ aus der ansonsten schönen Rheinkulisse von Schloss bis Deutsches Eck heraushebt. Als nun in den fünfziger Jahren der Dachdeckermeister Fritz Heitger, der Irmgard Henkel, eine Tochter von Fritz und Josefine geheiratet hatte, das alte Zunfthaus in der Kornpfortstraße 17 originalgetreu wieder aufbauen ließ, erinnerte man sich an das Relief und brachte es an diesem schönen Gebäude an. Dort kam es gut zur Geltung und wurde von vielen Koblenzern und Touristen im Laufe der Jahre bewundert. Durch eine Änderung in den Eigentumsverhältnissen an diesem Gebäude kam es jedoch vor einigen Jahren zur Abnahme des Reliefs und Verbringung an seinen derzeitigen Standort.

Da auch die Familie Heitger mit der jetzigen Lösung nicht glücklich ist, war es ihr Bestreben, dem Relief wieder einen würdigen Standort zu verschaffen, möglichst im Bereich des originalen Platzes. Eine Planung der Stadt Koblenz, die Rheinstraße umzugestalten, ergab die Möglichkeit, in dieser Richtung tätig zu werden. Die Stadt beabsichtigt, die Rheinstraße, die sich derzeit als eines der Eingangstore vom Rheinufer in die Stadt alles andere als attraktiv darstellt, in die Richtung eines Boulevardcharakters zu verändern. Im Rahmen dieser Bauarbeiten hat sich die Stadt Koblenz bereit erklärt, das Steinrelief im Zuge der neu zu erstellenden Stützmauer entlang den geplanten Boulevards in der Rheinstraße zu integrieren. Die Odyssee hätte dann ein Ende und die „gute alte Zeit“ wäre wieder zurück, wenn auch die Umgebung heute deutlich anders aussieht.