Dieser Artikel erschien in der Festschrift zur 14. Altstadtkirmes 2005
Reichsausstellung Deutscher Wein
Wenn ein guter Bekannter, der einen sein ganzes Leben begleitet hat, seinen 80. Geburtstag begeht, dann ist das ein Grund zum Feiern. Genau das ist in diesen Tagen der Fall. Im Jahre 2005 feiern wir in Koblenz den 80. Geburtstag eines guten alten Bekannten – des Weindorfes. Obwohl dieses weit über die Grenzen unserer Stadt hinaus bekannte Wahrzeichen sich auch heute noch jung und fidel zeigt, ist es doch bereits seit 1925 ein Sinnbild der rheinisch/moselländischen Weinidylle. Errichtet wurde es anlässlich der ‚Reichsausstellung Deutscher Wein‘, die von der Bedeutung für Koblenz wohl ohne Übertreibung mit der für 2011 anstehenden Bundesgartenschau zumindest gleichgesetzt werden kann. Die Ausstellung, die seinerzeit im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich 1000 Jahre Zugehörigkeit der Rheinlande zum deutschen Reich stattfand, wurde auf den Bereich südlich der Pfaffendorfer Brücke konzentriert. Dies bot sich schon alleine wegen der räumlichen Möglichkeiten der Festhalle an.
Die Festhalle – ein wahres Prunkstück der Stadt
Weinversteigerung in der Festhalle
Von der Festhalle (im Lageplan mit ‚A‘ bezeichnet) erstreckte sich das Ausstellungsgelände zunächst zur ebenfalls neu errichteten Industriehalle, die auch als Rheinhalle bezeichnet wurde.
Rheinhalle – Gesamtansicht, Front und Innenansicht
Von beiden Gebäuden ist heute nichts mehr erhalten, was insbesondere bei der Festhalle sehr zu bedauern ist. Daran schloss sich das Weindorf an (auf dem Lageplan G – L). Heute würde man die Errichtung des Weindorfes in Anbetracht der andauernden Attraktion für heimische und auswärtige Besucher wohl eine geniale Marketing-Strategie nennen. Für die Reichsausstellung, die Menschen aus dem ganzen Reich und den benachbarten Ländern nach Koblenz locken sollte, wurde bereits im Vorfeld mit Werbemarken Reklame gemacht. Auch die Presse berichtete bereits Monate vorher häufig über die Großveranstaltung. Die Coblenzer Volkszeitung, die meistverbreitete Zeitung am Mittelrhein z.B. hatte regelmäßig Artikel eingestellt, und an den Tagen unmittelbar vor bzw. bei der Eröffnung der Ausstellung wurden dem ‚Event‘, wie es heute oft heißt, ganze Seiten gewidmet. Außerdem gab es am Eröffnungstag noch eine ganzseitige Anzeige, in der auch das Weindorf erwähnt wurde.
Die Organisation einer solchen Veranstaltung stellte für die Stadtverwaltung eine große Herausforderung dar. In einer Mappe im Stadtarchiv Koblenz ist ein Auszug aus dem reichhaltigen Schriftverkehr und den damaligen Akten enthalten, woraus man den riesigen Arbeitsaufwand erahnen kann, der auf die Verwaltung zukam. So wurden u.a. die Firmen und Institutionen in Koblenz mit der Bitte angeschrieben, für die Eröffnungsfeier ein Kraftfahrzeug zur Verfügung zu stellen. Dieser Bitte kamen die meisten der Angeschriebenen auch nach. Bei der Eröffnung waren natürlich viele Politiker und Würdenträger aus dem ganzen Reich anwesend, und es wimmelte nur so von Staatsministern, Regierungspräsidenten, Ökonomieräten, Geheimräten, Kommerzienräten usw. Der höchste Gast, der gleichzeitig Vorsitzender des Ehrenausschusses war, konnte jedoch leider nicht teilnehmen: von Hindenburg und Beneckendorf, der Reichspräsident.
Speziell für die Ausstellung wurde auch ein Brunnen kreiert, der die Besonderheiten des Weines darstellen sollte und unter Künstlern praktisch ungeteiltes Lob fand. Bei der Bevölkerung, insbesondere der weiblichen, sah das allerdings ganz anders aus. Zu freizügig war ihrer Meinung nach hier die künstlerische Freiheit zu Werke gegangen, und es gab heftige Proteste gegen den Brunnen.
So wurde dann ein Kompromiss gefunden, der darin bestand, dass anstelle des anstößigen Kunstwerkes ein unverfänglicherer Brunnen errichtet wurde.
Traubenträgerbrunnen im Hof der Rheinhalle
(Anmerkung: Zwischenzeitlich wurde der Traubenträgerbrunnen wieder komplett aufgebaut und steht heute (2016) nur wenige Meter von seinem alten Standort am Weindorf entfernt.)
In dem Buch ‚Deutschlands Städtebau – Coblenz‘, 2. Auflage erschien anlässlich der rheinischen Jahrtausendfeier ein Artikel zur Reichsausstellung, in dem es u.a. heißt: „Ein besonderer Teil des Ausstellungsgeländes gilt der Weinpropaganda. Für die verschiedenen Weinbaugebiete sind typische Häuser erbaut, die als Ganzes ein künstlerisches, deutsches Weindorf darstellen werden. Es dürfte nicht zuviel gesagt sein, wenn hier der Behauptung Ausdruck gegeben wird, dass in solchem Rahmen der deutsche Wein auf keiner Ausstellung eine Stätte gefunden hat. Die einzelnen Häuser sind Kompositionen bestehender Motive, die durch eine besondere Studienreise des künstlerischen Beirates der Ausstellung mit den Coblenzer Architekten Stähler und Horn gewonnen wurden. Ein Kenner deutscher Landschaften wird mühelos von vornherein erkennen, welches Traubenblut in dem einen oder anderen Hause zum Ausschank kommt. Die Inneneinrichtung der Häuser ist ebenso im treffenden Gewande hergestellt, wie die Außenfront. Die Gesamtanlage des Weindorfes ist ein kunstgeschichtlicher Beitrag zur Volkskunde der Weinbaugebiete. An dieser Stätte, welche dem „Wein als Getränk“ gewidmet ist, wird der Besucher die Möglichkeit haben, eine kleine Ruhepause auf seinem Rundgang einzulegen.“ Am Ende des Artikels sind die ursprünglichen Gebäude zu sehen. Das Bayernhaus mag bei einer Weinausstellung am Rhein zunächst verwundern. Tatsache ist jedoch, dass Bayern damals das größte deutsche Weinanbauland war. Diese erstaunliche Feststellung ergab sich einfach dadurch, dass bis zur Neuaufteilung der Bundesländer nach dem Kriege die Pfalz mit ihren großen Weinbaugebieten zu Bayern gehörte.
Ahr und Lahn
Rheingau und Hessen
Bayernhaus – Pfalz und Franken
Mosel
Sachsen, Württemberg, Baden, Schlesien
Das Weindorf blieb natürlich auch nach dem Ende der Reichsausstellung bestehen, die im Übrigen von mehr als 250.000 Menschen besucht worden war (Koblenz hatte damals lediglich 58.000 Einwohner). Es entwickelte sich in den folgenden Jahren zu einer der größten Attraktionen der Stadt an Rhein und Mosel. Jährlich fand dort ein Rheinisches Winzerfest statt, für das eigene Programme und Preislisten gedruckt wurden.
Es gab sogar eine eigene, sehr populäre Blaskapelle, die sogenannten „Blaukittelsbacher“. Im Gegensatz zu vielen anderen Attraktionen in Koblenz, die bereits erwähnte Festhalle in unmittelbarer Nachbarschaft ist ein solches Beispiel, war der zweite Weltkrieg nicht das Ende des Weindorfes. Nach dem Kriege wurde es in ähnlicher Form wieder aufgebaut. Die nunmehr vier Häuser bieten auch heute noch eine gemütliche Atmosphäre, ganz nah und doch weit weg von der Großstadt, und sind z.B. auch ein idealer Start- und Zielpunkt für einen Spaziergang durch die Rheinanlagen.
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